Stellen Sie sich einen Platz vor, welcher umringt von Einkaufsläden ist. Ein paar Menschen gehen über diesen Platz, manche sitzen auf Bänken am Rand, aber die meisten Menschen stehen vor einem kleinen Eisladen in einer Ecke dieses Platzes.
Ein Junge steht in dieser Ecke und wartet. Nervös schaut er alle paar Sekunden auf seine Uhr um dabei festzustellen, dass die Zeit bis 17:00 Uhr einfach nicht schneller herumgehen will.
Er geht ein wenig auf und ab um sich zu beschäftigen, seinem Körper eine Möglichkeit zu geben, den Stress abzubauen.
Ab und zu ein suchender Blick über den Platz.
Sein Herz setzt für einen kurzen Schlag aus, als das Mädchen um eine Ecke herum in sein Sichtfeld tritt – Sie lächelt ihm zu.
Die Beine des Jungen fangen kurz an zu zittern, bis er seinen Körper wieder unter Kontrolle hat.
Sie begrüßen sich durch eine kurze Umarmung, welche er aber nicht wirklich genießen kann.
Er hatte lange auf diesen Tag hingearbeitet, sich immer wieder ermutigt sich mit ihr zu treffen.
Die Beiden stellen sich zu den wartenden Menschen bei dem kleinen Eisladen, an welchem die Schlange allmählich kürzer geworden ist.
Sie fängt an mit ihm zu reden, fragt ihn, wie es ihm gehe. Er schaut kurz zu Boden um seine Gedanken zu sortieren und antwortet in einem kurzen Satz.
Doch schon nachdem er den Mund wieder geschlossen hatte, vergaß er wieder die Antwort, die er gerade gegeben hatte.
Der Junge wird zunehmend nervöser, was dem Mädchen nicht entgeht, aber sie fragt nicht.
Beide sind nun an erster Stelle der Schlange des Eisladens angekommen und bestellen ein Eis. Er ist froh, dass er gerade nicht mit ihr, sondern dem Verkäufer sprechen muss.
Nachdem der Junge für beide bezahlt hat, gehen sie langsam und schweigend über den Platz. Das Herz des Jungen pumpt stark in seinem Halz, so das er nur schwer seinen ersten, richtigen Satz heraus bekommt.
„Ich werde nun einen kleinen Monolog starten.“
Seine Hand zittert ein wenig wie ihm diese Worte über die Lippen gehen, aber er redet weiter.
„Ich werde dir dabei nicht in die Augen sehen, da ich es sonst womöglich nicht schaffen würde, weiter zu reden.“
Das Mädchen ist überrascht, lässt ihn aber gewähren und isst langsam ihr Eis, als sie langsam über den Platz schreiten.
„Vor 3 Wochen ist mir etwas passiert, was meine Ansichten über mein Leben ein wenig umgeworfen haben. Seit diesem Tag hatte ich den Plan mit dir zu reden.
Ich weiß nicht mehr, wann ich dich kennengelernt habe. Ich weiß auch nicht mehr, ob es mir damals schon so ging. Aber ich habe Gefühle für dich, welche ich nun seit einem Jahr mit mir herumtrage. Und ich wollte diese Gefühle schon so oft äußern, habe aber nie die Stärke dazu gefunden.”
Die Beiden haben mittlerweile die andere Seite des Platzes erreicht und setzen sich auf eine freie Bank, welche teilweise von der Sonne in ein warmes Licht getaucht wird. Das Mädchen schaut kurz zu dem Jungen, welcher in dieser kurzen Pause den ersten Bissen von seinem Eis nimmt. Beide schauen für ein paar stille Sekunden über den Platz, bis der Junge wieder anfängt zu reden.
„Ich war am Freitag zu einem Date mit einem Mädchen, welches ich erst wenige Tage kannte. Am Ende des Abends, nachdem ich das Mädchen zu ihrem Auto gebracht hatte, ging ich noch ein wenig durch die Straßen der Innenstadt und dachte daran, dass ich diesen Abend lieber mit dir verbracht hätte.“
Das Mädchen musste bei diesen Worten lächeln, sagte aber weiterhin nichts.
„Ich weiß, dass du bis vor kurzem einen Freund hattest. Und auch wenn sich dieser Umstand nicht erst vor 1 Woche geändert hätte, wäre mein Plan für heute davon unangetastet gewesen. Denn momentan habe ich das persönliche Ziel, ehrlicher mit den Menschen zu sein, die mir etwas bedeuten.
Wenn ich dich auf deiner Arbeit besuche, dich ansehe, und du mit einem kurzen Lächeln meinen Blick erwiderst, setzt mein Herz jedes mal aufs Neue einen Schlag aus. Dieses Lächeln, welches so viel Wärme ausstrahlt, dass du damit selbst einen Killer-Roboter von seinen bösartigen Plänen abbringen könntest…”
Vom Mädchen kommt ein kurzes Glucksen bei der Vorstellung an den Killer-Roboter.
„Ich weiß, dass dein Plan ist, für ein Jahr ins Ausland zu fahren, und ich habe nicht vor dich davon abzuhalten. Ich hätte sowieso keinerlei Recht dir so etwas vorzuschlagen. Ich wollte einfach meine Gedanken aussprechen, bevor ich dich für eine lange Zeit nicht mehr sehen werde. Ich weiß, dass ich durch dieses Gespräch unsere Freundschaft gefährde, welche mir auch wichtig ist. Aber ich würde gerne wissen, wie du darüber denkst.“
Damit beendet der Junge seinen Monolog und widmet sich seinem Eis.
Für einen Moment, welcher dem Jungen wie eine Ewigkeit vorkommt, herrscht erneut Stille zwischen den Beiden, während um sie herum die Menschen weiter in den Geschäften einkaufen und Tauben auf dem Boden nach Lebensmittelresten suchen.
Das Mädchen ergreift das Wort.
„Ich habe mir manchmal schon so etwas gedacht.“
Der Junge blickt auf, traut sich aber weiterhin nicht dem Mädchen in die Augen zu schauen.
„Du hast mich so oft angesehen. Mit diesem Blick, wie ein kleiner Junge, der zu Weihnachten ein Geschenk bekommen hat, was er sich von Herzen wünscht.
Du hast recht, dass diese Situation etwas heikel für unsere Freundschaft ist. Und nach meiner frisch beendeten Beziehung bin ich gerade etwas… ausgelaugt vom Leben und von Gefühlen.
Ich mag dich. Du bist ein witziger und netter Junge – aber ich kann momentan nicht sagen, ob ich deine Gefühle auch erwidern kann.
Wir können uns gerne treffen — als Freunde. Und vielleicht wird eines Tages mehr daraus.
Aber ich werde mein Jahr ins Ausland fahren und dort hoffentlich viel erleben. Und wenn ich wieder zurück komme und sich unsere Gefühle in diese Richtung entwickelt haben, dann können wir uns noch einmal darüber unterhalten, ob daraus mehr wird.”
Das Mädchen schaut ihn während dieser Worte unentwegt an. Der Junge aber schaut in die Ferne – zu den Menschen die von diesem Wortwechsel nichts mitbekommen hatten.
Dann schaut er endlich das Mädchen an. Sie lächelt.
Dieses Lächeln, welches ihn schon so oft verzaubert hat und er kann nicht anders, als auch zu lächeln.
Der Junge fühlt sich, als ob ihm eine zentnerschwere Last von den Schultern genommen wurde. Sein Herz pocht erneut wie wild, aber diesmal zittern seine Hände nicht. Er steht auf und das Mädchen tut es ihm gleich. Sie bringen ihre Eisbecher zu einem Mülleimer in der Nähe und gehen nebeneinander her, die Einkaufsstraße entlang, bis sie nicht mehr zu sehen sind.
– Ende –